Wednesday, December 15, 2010

Für genau eine Kippe

In der Simpsons-Folge „Lisa the Skeptic“ verkündet ein Engeln den Bewohnern Springfields, dass die Welt am Folgeabend um zwanzig Uhr untergehen wird. Warum ausgerechnet um 20:00 Uhr? 

Die Uhrzeit ist ein beliebig austauschbares Element, aber diese Beliebigkeit selbst ist nicht austauschbar, sondern 
entscheidend für unseren Begriff von Weltende/Apokalypse. Den genauen Umständen der Apokalypse wohnt stets etwas Zufälliges inne. Darum geht die gängige Kritik an der (grob missverstandenen) Maya-Prophezeiung, die Welt würde 2012 enden, (nämlich „Warum ausgerechnet 2012 und nicht früher oder später?“) an der Sache vorbei: Jedes festgestellte Datum (und jede Uhrzeit) der Apokalypse ist zwingend kontingent. 

Wenn man im Flugzeug die Durchsage

„Liebe Fluggäste, wie Sie vielleicht bereits gemerkt haben, sind nun auch unsere Ersatztriebwerke ausgefallen. Wir werden in zwischen neunzig Sekunden und zwei Minuten in einem Flammen-Inferno auf dem Erdboden zerschmettern, bedanken uns für Ihren Flug mit xy und wünschen Ihnen eine gute Zeit in einem eventuellen Nachleben“ 
hört, so ist diese Situation eben nicht mit dem Weltende vergleichbar, weil hier die verbliebene Zeit determiniert (und damit das Gegenteil von 'zufällig', nämlich 'sinnlos') ist.
Zwei Minuten, das reicht für eine hastig gerauchte Kippe.

Das konventionelle Apokalypse-Verständnis ist also naiv. Wie nehme sich ein den tatsächlichen Gegebenheiten angemesseneres Welt-Ende-Bild aus?
Folgen wir Walter Benjamin und stellen fest, dass das Unglück-am-Ende-der-Zeit nicht darin besteht, dass die Kontinente in das lava-öse Erdinnere abrutschen, sondern dass es so weiter geht wie bisher - das ist die Katastrophe.

Dass sich nichts ändert, sondern das falsche Leben weitergelebt wird, um jeweils ein neues Kalenderjahr end-los verlängert, ist, der das wahre Leben, die Heimkehr der Seele zu den „unsterblichen Landen westlich des Meeres“, verhindernde Notstand.

Daher rettet uns weder ein Held noch nachhaltiges Wirtschaften vor dem Untergang der Welt. Das einzige Mittel, die Apokalypse abzuwenden, ist der Griff zur Notbremse.


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